80 Jahre Siedlerbund Kiel-Süd 2016
Die Geschichte unserer Siedlung
Umgeben vom Vieburger Gehölz, dem Schulensee und dem Drachensee, können wir auch die höchste Erhebung Kiels, den Finkelberg, als Abgrenzung zu unserem Siedlungsgebiet zählen. Das höchste Bauwerk, der Fernmeldeturm, steht wie ein Wächter über uns auf dem „Hornheimer Riegel“. Dieser Höhenzug versperrte der Eider den Weg zur Ostsee, so dass sie den Weg quer durch Schleswig-Holstein zur Nordsee nehmen muss.
Folgende Straßen gehören zu unserer Siedlung:
Krusenrotter Weg, Krummbogen, Pestalozzistraße, Hagebuttenstraße, Heckenrosenweg, Fröbelstraße, Holunderbusch, Pappelweg, Hasenholz und Brüggerfelde. Der Straßenzug um den Finkelberg mit Petersburger Weg, Baumweg und Vieburger Weg schließt sich unmittelbar an, auch wenn er mit dem Auto nur über die Hamburger Chaussee erreichbar ist. Per pedes hingegen gibt es direkte Wegeanbindungen am Ende des Krummbogens und in Brüggerfelde.
Es besteht die Sage von den Räubern Kruse und Rott, die man vor einiger Zeit vor den Toren Kiels hinrichten ließ. Das Ausflugslokal „Krusenrott“ war für unsere Urgroßeltern ein beliebtes Ausflugsziel. An seinem Standort befindet sich heute die katholische Liebfrauenkirche. Die Pädagogen Pestalozzi, Fröbel und Diesterweg sind die Namensgeber der um 1923 erbauten Straßen um die Christliche Schule Kiel (frühere Präparandenanstalt, danach Pädagogische bzw. Fachhochschule) und das Statistikamt Nord.
Das benachbarte Gelände diente zur Kaiserzeit den Marinesoldaten als Exerzierplatz. Von hier aus, genauer vom Gelände der früheren Gärtnerei Heins, begann Ende Oktober 1918 der Kieler Matrosenaufstand.
Die Nazis missbrauchten die Errichtung der weiteren, um 1935/36 erbauten Straßenzüge propagandistisch. Am dritten Jahrestag ihrer Machtergreifung benannten sie sie nach getöteten SA-Leuten, die zu Märtyrern hochstilisiert werden sollten. Im Volksmund sprach man daher von der „SA-Siedlung“:
- der Krummbogen hieß Hermann-Schmidt-Straße
- der Pappelweg hieß Otto-Streibel-Straße (beide 1929 in der „Wöhrdener Blutnacht“ getötet)
- der Heckenrosenweg hieß Martin-Martins-Straße (1931 in Neumünster getötet)
- die Hagebuttenstraße hieß Richard-Menzel-Straße (1932 in Rendsburg getötet)
Am 04.07.1945 hat die englische Besatzungsmacht die jetzigen Straßennamen festgelegt, und seither zeigte sich darin unsere Natur von ihrer schönsten Seite: Hagebutten, Heckenrosen, Pappeln und Holunder waren von jeher typisch für unsere Siedlung. Eine Straße wurde besonders originell benannt: Der „Krummbogen“ – oder kennen Sie einen geraden Bogen?
Als letzter größerer Bauabschnitt der Siedlung erfolgte die Errichtung von vier Wohnblocks und rd. zwei Dutzend Doppel- und Einfamilienhäusern in der Straße Brüggerfelde in den 1980er Jahren. Die beiden „Professoren-Häuser“ am Anfang dieser Straße wurden bereits 1971 als Pflegeheime fertiggestellt. Sie befinden sich heute in der Trägerschaft des Kieler Stadtklosters. Zuletzt kam 2009 ein weiteres, von der Senator-Gruppe betriebenes Pflegeheim am Krummbogen/Ecke Holunderbusch hinzu, welches seit 2019 durch die „Alloheim Senioren Residenzen SE“ betrieben wird.
Bunker und ihre Überreste (unter- und überirdisch) sind in der Siedlung etliche anzutreffen. Nicht zu übersehen sind insbesondere der jüngst umgebaute Hochbunker in der Fröbelstraße und der Hochbunker am Holunderbusch. Am Heckenrosenweg ist in den Finkelberg hinein der Eingang zu einem Stollenbunker erkennbar. Alle entstanden im Zweiten Weltkrieg.
Auf dem Gelände des ungenutzten ehemaligen DRK-Altenheimes stand im Krieg eine 8,8 cm Flugabwehr-Stellung. Alliierte Bombentreffer beschädigten viele Häuser insbesondere im Krusenrotter Weg, aber auch in der Hagebuttenstraße und im Heckenrosenweg. Die Wehrmachtssoldaten waren in einem Barackenlager am Krummbogen stationiert, etwa dort, wo sich jetzt der AWO-Kindergarten befindet. Nach dem Krieg wurden in dem Lager englische Soldaten und später Flüchtlinge untergebracht. Zum Kriegsende wurden viele Flüchtlinge und Ausgebombte in unserer Siedlung als so genannte „Untermieter“ untergebracht. Zusätzlich wurden in unserer Siedlung 70 „Behelfsheime“ gebaut.
1950 gab es in unserer Siedlung sieben „Tante Emma Läden“. Die Siedlergemeinschaft Kiel-Süd hatte (bei 580 Mitgliedern!) eine eigene Verteilerstelle, bei der man besonders günstig Saatgut und Gartengeräte erwerben konnte. Leitern wurden verliehen und Einlagerungskartoffeln als Sammelbestellung mit Probeessen geordert. Die Kleintierhaltung war für viele Siedler eine Selbstverständlichkeit. Die von der Stadt Kiel auf Erbpachtbasis verpachteten Grundstücke waren so groß bemessen, dass die Erträge aus dem eigenen Garten zum Familienunterhalt beitragen konnten und mussten. Selbst die Düngerversorgung erfolgte in Eigen“produktion“: Die „Goldeimer“ veredelten den Kompost im Garten und sorgten für große Kartoffeln. Erst 1961 wurde die Straßen an das öffentliche Kanalisationsnetz angeschlossen.
Über die Jahre bot die Stadt Kiel den meisten Erbbauberechtigten den Grunderwerb zum Kauf an, so dass heute viele Siedler Eigentümer des von ihnen bewohnten Grundstücks sind.
In den vergangenen 80 Jahren hat sich in unserer Siedlung vieles geändert: Das Geld ist nicht mehr so knapp, die Kleinviehhaltung wich größer werdenden Rasen- und Erholungsflächen. Den meisten Bewohnern unserer Siedlung geht es wirtschaftlich gut, und kaum eines der ursprünglich sehr ähnlichen Häuser gleicht heute noch dem nächsten. Im Detail hat jeder nach seinem Ermessen angebaut oder vergrößert, modernisiert und verändert. Der Freizeitwert der Siedlung ist besonders hoch, die Lage am Vieburger Gehölz idyllisch, und das bei akzeptabler Verkehrsanbindung in die Innenstadt.
Bebauung, Verkehrserschließung, Themen zu Garten und Natur und Veranstaltungen für Kinder sind bis heute ständige Themen unserer Vereinsarbeit. Wir wollen auch in der Zukunft ein Diskussions- und Begegnungsforum für die hier wohnenden Menschen sein und zum Wohle der gesamten Siedlung beitragen.